Wie ich in einer Punkband auftrat

Unerwartete Reaktionen

Mein Auftritt in einer Punkband

Wir Menschen machen immer wieder den Fehler, von uns auf andere zu schließen.
Wenn ein Kind eine Vase umstieß, hatte es ein schlechtes Gewissen und versteckte vielleicht die Scherben.
Wenn ein Hund eine Vase umstieß, war ihm das völlig egal.

Trotzdem glaubten wir, auch er habe ein schlechtes Gewissen – dabei wusste er allenfalls,
dass er vom Herrchen Ärger zu befürchten hatte.
Wenn er überhaupt etwas „wusste“.

Aber auch bei uns Menschen konnten Handlungen ganz andere Ursachen haben,
als man zunächst vermutete.


Weil die Konzerte regelmäßig in vom Sänger angezettelten Schlägereien endeten,
hatte eine lokale Punkband ihn kurzerhand gefeuert.
Mittlerweile konnte sie ohnehin kaum noch irgendwo auftreten – überall drohte Randale.

So kam ich zu meinem „Engagement“.
Nach zwei Proben stand ich auf der Bühne im letzten Club, der uns noch auftreten ließ –
einem lokalen Jubez.
Ich hatte hoch und heilig versprechen müssen, dass es diesmal keinen Stress geben würde.

Singen konnte ich nicht, Texte konnte ich mir nicht merken,
und ich trug eine Gitarre mit nur einer einzigen, völlig verstimmten Saite.
Egal – spielen konnte ich sowieso nicht.
Also: allerbeste Voraussetzungen für einen Punk-Sänger.


Gleich beim ersten Song renkte sich unser Bassist beim Stage-Diving die Schulter aus.
Er ließ sich einfach nach hinten fallen – und die Punks sprangen beiseite.
Blöd nur: Er war der Einzige, der tatsächlich ein Instrument spielen konnte.

Trotzdem liefen die ersten Songs ganz ordentlich.
Dass ich absolut nicht textsicher war, störte niemanden.
Bis plötzlich ein Punk in der zweiten Reihe sein Bier austrank, in den Becher pinkelte und ihn auf die Bühne schleuderte.

Mir platzte der Kragen.
Ich sprang mit dem Mikroständer voraus in die Menge.
Es entstand ein ziemlicher Tumult, die Band spielte erst noch weiter,
irgendwann stiegen sie mit ein.
Schlägerei, das Licht ging an, alles war kaputt, die Bullen kamen – Ende des Auftritts.


Nach dem Konzert kam der Becherwerfer tatsächlich zu mir, grinste und bedankte sich:
Er habe schon lange nicht mehr so einen Spaß gehabt.
Endlich mal wieder ein Konzert, bei dem etwas los gewesen sei!

Seine Freunde stimmten begeistert zu und drückten mir erst mal warmes Dosenbier in die Hand.
Dann fragte er: „Aber sag mal – warum hast du mich eigentlich verprügelt?“
„Na, du hast mir einen Becher mit Pisse auf die Bühne geworfen!“

Da mischte sich einer ein, der eher nach Metal-Szene aussah
und zufällig mit rausgeflogen war.
Er sagte: „Wenn sie dir ihre Pisse auf die Bühne schmeißen, dann lieben sie dich!“

Die Punks nickten zustimmend.

Ein böses Missverständnis.
Es tat mir echt leid – aber wir gingen danach noch einen trinken.
Das war wieder eine andere, längere Geschichte.
Jedenfalls ein gelungener Abend –
wenn auch das Ende meiner kurzen Karriere als Punk-Sänger.