Die Invasion
Was wäre, wenn …
Die Invasion
Von der Menschheit vollkommen unbemerkt näherte sich eine riesige Raumflotte der Erde.
Millionen bizarr geformter Schiffe, die wie ein Vogelschwarm ihr Leitschiff umringten,
zogen lautlos durch den Weltraum.
Hätte jemand die Mühe aufgebracht, durch eines der stärksten Teleskope zu blicken,
er hätte sie vielleicht entdecken können –
aber wer hatte schon einen Grund, genau diese Stelle des Himmels abzusuchen?
Allen, die bei Science-Fiction-Geschichten nicht müde wurden zu betonen,
dass Außerirdische doch gar nicht böse sein müssten,
widerlegte diese Flotte auf ihre Weise.
Ihre Absichten waren alles andere als freundlich.
Zwar hatten sie tatsächlich kein Interesse daran,
Menschen zu versklaven oder zu entführen.
Nein – sie kamen einzig, um die Ressourcen der Erde zu plündern:
Eisen, Metalle, Uran, Wasser, Sauerstoff und andere Energielieferanten.
Wie schon bei vielen anderen Welten, bewohnt oder unbewohnt,
beabsichtigten sie nur, alles Verwertbare auszubeuten
und dann weiterzuziehen – mit fatalen Folgen für die Zurückgebliebenen.
Widerstand hatte es auf anderen Planeten kaum gegeben.
Angesichts der schieren Überzahl ihrer Schiffe
waren die einheimischen Zivilisationen einfach untergegangen.
Aus sicherem Abstand begann die Flotte,
gemäß ihrer üblichen Standardvorgehensweise,
sich in die irdische Telekommunikation einzuklinken.
Man sammelte Informationen,
um den Stand der Technik zu bestimmen und Fragen zu klären:
War mit nennenswerter Gegenwehr zu rechnen?
Waren die Bewohner sich der drohenden Gefahr bewusst?
Welche Abwehrmaßnahmen wurden bereits ergriffen?
Mit dem Zugriff auf das Internet eröffneten sich ihnen
unzählige Informationsquellen,
die begierig ausgewertet wurden.
Doch nach kurzer Zeit begann das Netz zurückzuschlagen.
Die neu verbundenen Computer wurden gescannt,
als leichte Ziele identifiziert –
schließlich hatten die Angreifer noch nie etwas von Computerviren gehört.
Gleichzeitig setzte das Spam-Feuerwerk ein.
Wir Menschen waren daran gewöhnt
und verfügten über Filter, um den Datenmüll fernzuhalten.
Selbst wenn einmal eine Nachricht durchkam,
fielen die meisten von uns nicht darauf herein.
Für die Außerirdischen stellte sich das anders dar.
Gemäß ihrem Kodex der Raumfahrer –
der erstaunliche Ähnlichkeit mit den Regeln der irdischen Seeschifffahrt aufwies –
musste jede eingehende Nachricht auch beantwortet werden.
Das hatte fatale Folgen.
Durch die massenhafte Beantwortung von Spam-Mails
reagierte das Netz mit weiterem Spam –
der wiederum höflich, aber ablehnend beantwortet wurde.
Das wurde bald zum Problem.
Trotz der unglaublichen Anzahl an Besatzungsmitgliedern
mussten immer mehr Individuen
für die Beantwortung der Nachrichten abgestellt werden.
Wichtige Posten blieben unbesetzt,
was zu Havarien zwischen den Schiffen führte
und weitere Ressourcen band.
Auch die Technik spielte nicht mehr mit.
Die Internetaktivitäten blockierten interne Datenleitungen
und störten die Kommunikation innerhalb der Flotte.
Trotz aller Bemühungen, die Kapazitäten aufzustocken,
brachen die Netze immer wieder zusammen.
Selbst die Speicher wurden knapp –
man kam mit der Erweiterung einfach nicht nach.
Dramatisch wirkten sich die Folgen auch auf die notwendigen Ruhephasen der Besatzung aus.
Wie Menschen mussten sie regelmäßig eine Art Schlaf halten,
den sie in Stasis verbrachten.
Doch statt sich auszuruhen,
saßen sie ununterbrochen vor den Terminals
und beschäftigten sich hemmungslos mit dem Internet.
Bald fielen immer mehr Wesen einfach dort in Starre,
wo sie gerade standen.
Auf Gängen und Korridoren lagen sie herum,
unterbrachen wichtige Tätigkeiten,
weil sie erschöpft in den Schlaf kippten.
Schließlich fasste die Besatzung des Leitschiffs einen Entschluss.
Offenbar waren die Bewohner des Planeten bereit,
für den bloßen Handel mit Waren
eine nahezu unerschöpfliche Energie aufzubringen.
Wie viel Energie würden sie dann wohl
für die Verteidigung ihrer Welt aufbringen?
Das Risiko, bei diesem Angriff die erste Niederlage ihrer Geschichte zu erleiden,
machte die Entscheidung leicht.
Und so zog die riesige Raumflotte,
mit Millionen bizarr geformter Schiffe,
die wie ein Vogelschwarm ihr Leitschiff umringten,
lautlos weiter –
in Richtung eines anderen Sonnensystems.
Währenddessen ahnte auf der Erde kein einziger Mensch,
welcher Gefahr wir gerade entronnen waren.